Hilfe per Videochat - Einsatzmöglichkeiten von Google Helpouts

Ich erinnere mich noch gut an Serviceangebote à la kostenpflichtiger Fax-Abruf oder kostspielige Servicerufnummern, die Nutzer zu Ihren Themen beraten und individuelle Probleme lösen sollten. Vieles davon ist mittlerweile verschwunden, zum Glück, kann man sagen, verborgen sich doch gefühlt oftmals sehr unseriöse Anbieter hinter diesen Leistungen.

In den letzten Jahren haben Hilfesuchende im Web ohnehin größtenteils kostenlos ihre Antworten gefunden und die Bereitschaft, dafür Geld auszugeben, ist damit gegen null gesunken. Mit Google Helpouts, dem neuen Dienst aus Mountain View, soll die Kostenlosmentalität ein wenig aufgebrochen werden. Ob das Sinn macht und für wen der neue Service spannend sein könnte, möchte ich im Folgenden kurz erläutern.

 

Google Helpouts – real help, real time, real people

Das Prinzip ist kurz erklärt: Auf Helpouts können Experten Ihre Dienste zu unterschiedlichsten Themen zur Verfügung stellen. Konkret können individuelle Videokonferenzen mittels Google-Hangout-Technologie angeboten werden. Eine individuelle Terminvereinbarung macht es für beide Seiten sehr einfach, sich zu passenden Zeiten zu verabreden. Die Sessions werden kostenlos oder aber auch gegen Bezahlung im Minutentakt oder per Session offeriert. Abgerechnet wird per Google Wallet, inklusive Geld-zurück-Garantie. Google behält 20% der Umsätze. Aktuell ist der im November in die offene Beta gestartete Dienst für Anwender weltweit verfügbar. Um Anbieter zu werden, muss man allerdings recht lange auf eine Einladung warten. Bisher finden sich aus ausschließlich englischsprachige Angebote wieder. Deutsche Anbieter müssen sich auf Nachfrage noch gedulden. Wie jeder Service von Goolge hat auch Helpouts maßgeblich zum Ziel, die eigene Google Suche aufzuwerten. Hier kann man gespannt sein, wie das Ranking hier auch von google dahingehend beeinflusst wird.

Warum bezahlen, wenn man doch ohnehin alles kostenlos bekommt?

Die berechtigte Frage ist relativ einfach zu beantworten: Natürlich kann man sich seine notwendigen Antworten mühsam in Hilfeforen, Chats, Social Networks und Wissensplattformen zusammensuchen, alles kostenlos verfügbar. Wenn man jedoch sehr konkrete Fragen hat und eine individuelle Beratung wünscht, ist die Motivation von Experten relativ schnell endlich. An diesem Punkt setzt Helpouts an, um durch extrinsische Motivation (Bezahlung) die Experten weiterhin in Anspruch nehmen zu können.

Wer ist wirklich Experte?

Die Plattform ist stark integriert mit Googles Social Network Google+ und Anbieter können ausführlich bewertet werden. Damit kann  der Nutzer sich vor der Beauftragung ein gutes Bild über den Expertenstatus machen. Zudem bieten viele auch zunächst kostenlose Einstiegssitzungen an, um im persönlichen Videochat von der eigenen Expertise zu überzeugen.

Businessbeispiel: Sears Blue Service Crew

Das altehrwürdige US-Versandhaus Sears ist als eines der ersten Unternehmen auf Google Helpouts aktiv. Die Servicemitarbeiter, die Blue Service Crew, bieten eine Mischung aus kostenlosen und kostenpflichtigen Sessions zu den Themen Waschmaschinen, Kühlschränke, TV und Home Electronic an. Der teuerste Helpout schlägt mit 15$ für eine 30 Minuten Session zu Buche. In den bisherigen Bewertungen wird auch sehr schön meine Begründung zur Sinnhaftigkeit von Helpouts bestätigt:

 

 

Die Verknüpfung mit der Google+ Community ist zwar schon vorhanden, die Community ist aber noch sehr neu und inhaltlich sehr übersichtlich. Die Indexierung in der Google Search hingegen kann sich schon blicken lassen, erste Ergebnisse finden sich bereits auf Seite 2:

Es verwundert nicht, dass ausgerechnet Sears hier Pionierarbeit leistet. Gegründet 1886 in Minneapolis, war Sears der erste Anbieter, der einen Katalog (zunächst Uhren, später größeres Sortiment) für die ländlichen Regionen aufgelegt hat (1888). Dass das mal zum Branchenstandard werden sollte, war sicherlich nicht prognostizierbar.

Für welche Branchen könnte Google Helpouts eine interessante Erweiterung sein?

Grundsätzlich setzt Helpouts auf Produkte und Dienstleistungen, die stark erklärungsbedürftig sind. Fast Moving Consumer Goods stehen daher weniger im Fokus. Anwendungsbeispiele lassen sich sicherlich für zahlreiche Branchen skizzieren, ich möchte es mal mit dreien versuchen.

Tourismus

Reisebuchung ist mittlerweile völlig selbstverständlich eine Onlineaufgabe. Vor der Buchung ist vor allem die Planung im Netz sehr beliebt: Hotelbewertungen, Reiserouten, Ausflugsziele, Flugpreisvergleiche, Tipps zur Landessprache und Kultur und vieles mehr. Reiseanbieter könnte Helpouts dazu nutzen, um komplexe Reisen individuell zu erklären, analog zur Beratung im Reisebüro. Des Weiteren hätte es auch seinen Charme Testimonials via Google Helpouts zu Wort kommen zu lassen: Nichts wirkt authentischer als wenn ich jemanden live zu seinen Erfahrungen zu einem Hotel, einer Urlaubsregion oder einem Pauschalreiseangebot sprechen lassen. Damit ist jedes Misstrauen zum Wahrheitsgehalt von geschriebenen Bewertungen aufgelöst. Die Testimonials müssen dazu natürlich motiviert bzw. incentiviert werden, das sollte aber kein Problem darstellen.

Banken und Versicherungen

Es ist kein Geheimnis, dass gerade der Finanzsektor in Sachen Transparenz und Service Aufholbedarf hat. Zudem verlagert sich das Kundengeschäft ohnehin massiv in die Onlinefiliale, die bei Weitem aber noch nicht alle digitalen Potentiale ausschöpft. Die Beratung zu bestehenden oder künftigen Produkten könnte durch Helpouts wieder einen persönlicheren Charakter bekommen. Ich persönlich würde vor allem die Terminvereinbarung begrüßen, ist sie doch oftmals der erste Stressfaktor. Für Versicherungen sehe ich ähnliches Potenzial: Alleine das Thema Altervorsorge ist extrem erklärungsbedürftig und könnte via Helpouts wesentlich lebendiger erklärt werden als bisher.

Dienstleistungen

Ohne hier konkret eine spezielle Dienstleistung in den Vordergrund zu rücken, liegt es glaube ich auf der Hand, dass Anbieter immer Wert darauf legen sollten, das persönliche Gespräch zu suchen. Hier ist auch das Potential für Selbstständige enorm die Reichweite von Google zu nutzen, um nicht nur ihre Services zu platzieren sondern auch zu erbringen. Die Plattformkosten (20%) sind dabei nahezu zu vernachlässigen. Ein Blick auf die jetzigen Helpouts bestätigt meine These:

Fazit

Ich glaube daran, dass ein Service wie Google Helpout kein kurzfristiges Abenteuer bleibt, sondern sich mittelfristig etablieren wird, und zwar nicht nur beim First Mover Google. Ich könnte mir Helpouts auch sehr gut als Funktionserweiterung in z. B. Customer Community Anbietern wie Lithium oder Jive vorstellen.Dabei finde ich es besonders spannend, Service auch kostenpflichtig anzubieten, da sich damit für beide Seiten die Verbindlichkeit erhöht. Und es ist ja nicht verboten, am Ende einer kostenpflichtigen Helpout Session einen Coupon o.ä. für die nächste Beauftragung zu vergeben – das bindet. ;-)

 

 

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