Social Media Management – Überforderung oder Freiheit?

Im November habe ich schon einmal das Thema der Vermischung von Berufs- und Privatleben bei Social Media Managern aufgegriffen. Nachdem ich mit acht Social Media Managern aus verschiedenen Unternehmen gesprochen hatte, konnte ich schon die erste Einschätzung abgeben, dass sich bei der Arbeit im Web und mit sozialen Medien nicht zwangsläufig Arbeit und Leben vermischen müssen. Im Laufe der Auswertung der Interviews ergaben sich immer dezidiertere Einsichten in die Alltagsarrangements von Social Media Managern.

Konkret stellte ich dabei drei Forschungsfragen:

  1. Welche Entgrenzungserscheinungen werden konkret von Social Media Managern erfahren? Wie werden diese Entgrenzungserscheinungen subjektiv empfunden?
  2. Wie wird das Verhältnis von Arbeit und Leben gestaltet und welche Faktoren haben Einfluss auf die individuellen Alltagsarrangements?
  3. Werden aktiv Maßnahmen zur Grenzziehung zwischen Berufs- und Privatleben ergriffen und wie sehen diese aus?

Aus den Vorüberlegungen ergab sich, dass es mehrere Indizien dafür gibt, warum es Social Media Managern besonders schwer fallen könnte, zwischen Beruf und Privatleben zu trennen:

  • Diffuses Aufgaben- und Anforderungsspektrum: Das Berufsbild „Social Media Manager ist noch nicht ausreichend definiert und abgegrenzt“
  • Erhöhte Bedeutung des persönlichen Netzwerks und Soft Skills, verringerte Bedeutung von reinem Fachwissen
  • Keine Trennung möglich zwischen beruflichem und privatem Internet
  • Information auf Speed in zweierlei Hinsicht: Zum einen durch ständige technische Updates, zum anderen durch die viel schnellere Kommunikation und Interaktion im Vergleich zu „klassischen“ Kommunikationsmethoden

Flexible Arbeitsbedingungen und Subjektivierung? Definitiv!

Die Arbeitsbedingungen und der Zugang zum Beruf lassen definitiv den Schluss auf eine Subjektivierung der Arbeit, also die Inanspruchnahme der ganzen Person, nicht lediglich ihrer fachlichen Kenntnisse, zu. Wie erwartet sind das Netzwerk und die eigenen Softskills zum Berufseinstieg wesentlich wichtiger als reines Fachwissen. Es ist dadurch auch nicht verwunderlich, dass einige Befragte über einen Quereinstieg in diesen Beruf kamen oder durch Empfehlung, da sie sich auf diesem Gebiet bereits „einen Namen“ gemacht haben.

Arbeitsbedingungen, Vorgehensweisen und Strategie unterstehen dabei einem hochgradigen Aushandlungsprozess auf Teamebene oder mit dem Vorgesetzten. Die Gestaltung des Alltags der Social Media Manager ist dadurch sehr subjektiv geprägt und bietet individuellen Spielraum.

Die raum-zeitlichen Strukturen sind insofern flexibel, als dass die Arbeitszeit auch außerhalb der Räumlichkeiten des Unternehmens stattfinden kann und das vorherrschende Arbeitszeitmodell Gleitzeit oder Vertrauensarbeitszeit ist. Allerdings gibt es für die meisten eine sogenannte Kernarbeitszeit. Im Gegensatz zu Selbstständigen sind die zeitlichen Strukturen also durchaus strukturiert.  

Räumlich flexibles Arbeiten wurde durchgehend als positive Freiheit empfunden, da Arbeit, die beispielsweise am Wochenende oder abends anfällt, nicht ans Büro gebunden ist und so besser in die Freizeit integriert werden kann.

Besonders wichtig ist das ständige Up-to-Date-Bleiben bei fachlichen und technischen Neuerungen, was bei einigen Probanden eine Art „Verpassensangst“ auslöste und so dazu beitrug, dass auch außerhalb der formalen Arbeitszeit gearbeitet wurde.

Generell sagten die meisten Befragten, dass es in der Tat schwierig ist, zwischen beruflichen und privaten Online-Aktivitäten zu trennen. Dennoch sind flexible Arbeitsbedingungen und Subjektivierung per se noch lange nicht gleichzusetzen mit Entgrenzung, sondern eher der Nährboden für selbige. So zeigte sich, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, seinen Alltag unter diesen potentiell entgrenzenden Arbeitsbedingungen zu gestalten – von scheinbar völliger Entgrenzung bis hin zu konsequenter Grenzziehung

Im Laufe der Auswertung konnten drei zentrale Einflussfaktoren identifiziert werden, die Auswirkung auf die Wahl des Alltagsarrangements haben:

  1. Selbstverständnis: Welches Bild habe ich selbst von meinem Beruf als Social Media Manager? Für viele war bereits in diesem Bild eine gewisse Vermischung von Arbeit und Leben verankert. Sei es dadurch, dass eine private Leidenschaft für Social Media vorausgesetzt wurde oder dadurch, dass „Social Media kein Job ist, der an der Bürotür endet“
  2. Eigenes Verhältnis zu sozialen Medien: Je größer die private Affinität zu und Aktivität in sozialen Netzwerken war, desto eher konnte auch eine gewisse Entgrenzung von Arbeit und Leben festgestellt werden.
  3. Soziales Umfeld: Stichwort „Generation Internet“: Wenn das soziale Umfeld mehrheitlich als Online-affin wahrgenommen wird, ist auch die Hemmschwelle niedriger, im privaten Umfeld auf die sozialen Netzwerke des Unternehmens zu schauen, da man „nicht aus der Reihe fällt“

Es überwog der Eindruck, dass die Befragten es als große Freiheit einschätzen, sich selbst entscheiden zu können, wo und ob sie die Grenze zwischen Beruf und Freizeit ziehen möchten.
Je nach Selbstverständnis des Berufs und dem eigenen Verhältnis zu sozialen Medien fiel diese Entscheidung ganz unterschiedlich aus. Für die meisten Befragten ist aber zumindest eine gewisse Entgrenzung schon im Berufsbild verankert, da die Kommunikation im Social Web anders, schneller funktioniert als in anderen Kanälen. Zentrale Erkenntnis ist auch, dass die Befragten diese Entgrenzung häufig nicht als solche empfinden. Wenn sie das Bedürfnis verspüren, eine Grenze zwischen Arbeit und Leben ziehen zu müssen, verfügen sie außerdem über vielfache Möglichkeiten dazu.

Es ist sicherlich richtig, dass Social Media Manager in anderen Zeitstrukturen denken und handeln und dass auch ihre Grenzziehung zwischen Arbeit und Leben anders aussieht, als dies vielleicht in klassisch etablierten Berufen der Fall ist.

Fakt ist aber, dass sie sich individuell mit der Beschaffenheit dieser Grenzen oder auch der Nicht-Grenzen sehr gut arrangiert haben und jeder für sich einen Weg gefunden hat, Beruf und Freizeit zu vereinbaren. Keiner der Befragten vermittelte das Gefühl, die Arbeitsbedingungen würden ihn überfordern.

Fazit

Abschließend lässt sich eine Art Social Media Manager Idealtypus mit folgenden Eigenschaften generieren:

  • Ist bereit, einen Job zu übernehmen, der nicht an der Bürotür endet
  • Ist auch privat sehr aktiv in sozialen Netzwerken
  • Arbeitet selbstständig und
  • Ist bereit, ständig Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln
  • Ist kommunikativ, offen und selbstsicher, nimmt Feedback nicht persönlich
  • Schätzt Freiheiten wie örtliche und zeitliche Unabhängigkeit
  • Kann sich selbst sehr gut organisieren und die Grenzen zwischen Arbeit und Leben individuell für sich bestimmen

Für Unternehmen, die einen Social Media Manager oder ein Team einstellen wollen, ergeben sich daraus folgende Anforderungen:

  • Offenheit für Neues und Quereinsteiger, Betonung von Soft Skills wie Kommunikationsstärke etc.
  • Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle und Räumlichkeiten
  • Hohes Maß an Vertrauen
  • Realistische Einschätzung des Zeitaufwands von Social Media Aktivitäten
  • Akzeptanz, dass Social Media „anders“ funktioniert als andere Fachbereiche
  • Kompromissbereitschaft
  • Bereitstellung moderner Technik für flexibles Arbeiten

Damit schließe ich das Kapitel „Diplomarbeit“ und möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei allen Interviewpartnern und meinen Betreuern und Betreuerinnen bedanken!

 

Bildnachweis: Titelbild © Jay Mantri/stocksnap.io

 

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